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Deutsches Leben in den hier vorgestellten Regionen ist weitestgehend Vergangenheit. Nach dem Zerfall der Vielvölkerreiche 1918 etablierten sich Nachfolgestaaten. Sie fühlten sich dem Prinzip ethnisch homogener Nationalstaaten verpflichtet, obwohl in ihren Grenzen unterschiedliche Nationalitäten lebten. Minderheitenrechte wurden nur eingeschränkt gewährt oder ignoriert. Auch die Deutschen waren von dieser Entwicklung betroffen. In der Sowjetunion mussten sich die Deutschen darüber hinaus mit dem Kommunismus arrangieren.
Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten im Deutschen Reich 1933 gerieten die Deutschen in Mittel- und Osteuropa in den Sog nationalsozialistischer Expansionspolitik. Auf Grund des Hitler-Stalin-Paktes wurden zwischen 1939 und 1941 deutsche Minderheiten, die im Bereich der sowjetischen Einflusssphäre lebten, kollektiv vom Deutschen Reich ausgesiedelt und ungefragt meist im deutsch besetzten Polen angesiedelt.
Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion 1941 ließ die sowjetische Führung die Deutschen aus dem europäischen Teil der UdSSR in Gebiete jenseits des Urals deportieren.
Am Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 begann eine Fluchtbewegung der Deutschen vor der Roten Armee und ihren Verbündeten. Nach Kriegsende wurden die Deutschen aus den meisten Staaten ähnlich wie diejenigen in den deutschen Ostprovinzen vertrieben. Dies betraf die Deutschen in der Tschechoslowakei, in Polen, in Jugoslawien und teilweise in Ungarn. In Rumänien verbliebene Deutsche wurden nicht vertrieben, jedoch zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert.
Noch in ihren Heimatländern verbliebene Deutsche gelangten ab den 1950er Jahren als Spätaussiedler nach Deutschland. Im 21. Jahrhundert gibt es vor Ort nur noch kleine deutsche Minderheiten, in vielen Regionen sind es nur noch Einzelpersonen.
Die Flüchtlinge, Vertriebenen und Aussiedler haben Mundarten, Bräuche, Familientraditionen, Sachzeugnisse und ein Verständnis für ihre Heimatländer mitgebracht, die zum Kulturerbe der Deutschen gehören. Die eindrucksvollen Stadt- und Dorfanlagen, Bauten, Kunstwerke, Sprach- und Sachzeugnisse, welche die Deutschen in Mittel- und Osteuropa hinterlassen haben, sind Teil des gemeinsamen europäischen Erbes. Dafür tragen die in einem vereinten Europa heute in den Ländern lebenden Menschen und die Deutschen gleichermaßen Verantwortung.
11. Jh. Unter König Stephan I. gelangen deutsche Siedler nach Ungarn
11. Jh. Zuzug von deutschen Kaufleuten, Geistlichen und Adeligen nach Prag
1098 Gründung des Zisterzienserordens
12. Jh. Deutsche Bergleute und Bauern werden in die Zips eingeladen
1143 Deutsche Siedler gelangen auf Einladung der ungarischen Krone nach Siebenbürgen
1176 „Prager Freiheitsbrief“ von Herzog Sobieslav II. für die Deutschen
13. Jh. Polnische Städte haben einen erheblichen Anteil deutscher Bürger
1200 Gründung des Bistums Riga durch den Neffen des Bremer Erzbischofs
1202 Deutsche Kreuzritter gründen den Schwertbrüderorden in Riga
1224 „Goldener Freibrief“ von König Andreas II. von Ungarn für die Siebenbürger Sachsen
1242 Der Mongoleneinfall zerstört auch deutsche Siedlungen in Ungarn und Siebenbürgen
1321 Stapelrecht für Leutschau in der Zips
1330 Die deutsche Besiedlung der Gottschee durch die Grafen von Ortenburg beginnt
1348 Gründung der Karls-Universität Prag, der ältesten deutschsprachigen Hochschule
15. Jh. Deutsche Bauern gelangen auf Einladung örtlicher Grundherren nach Litauen
1484 Der Nürnberger Veit Stoss vollendet den Hochaltar der Krakauer Marienkirche
16. Jh. Deutsche leben als Händler, Ärzte und Beamte in Russland
1542 Von Kronstadt breitet sich die Reformation in Siebenbürgen aus
1561 Der Ordensstaat Alt-Livland zerfällt in die Provinzen Estland, Livland, Ösel und Kurland
1632 König Gustav II. Adolf von Schweden gründet die Universität Dorpat
1683 Die Türken belagern Wien
1683 Erste deutsche Kolonie in Nordamerika: Germantown in Pennsylvania
1689 Impopulationspatent Kaiser Leopolds I. für deutsche Siedler in Ungarn
1716 Österreich beginnt mit dem Ausbau der Festung Temeschwar
1718 Österreich gründet das Banat an der Grenze zum Osmanischen Reich
1722 Beginn des ersten großen Schwabenzuges in das Banat unter Kaiser Karl VI.
1734 Evangelische Landler werden nach Siebenbürgen zwangsumgesiedelt
1762 Gründung der weltweit ersten Hochschule für Bergbau in Schemnitz in den Westkarpaten
1763 Beginn des zweiten großen Schwabenzuges in das Banat unter Kaiserin Maria Theresia
1763 Zarin Katharina die Große wirbt deutsche Siedler für das Gebiet der mittleren Wolga an
1772 Galizien fällt in der Ersten Teilung Polens an Österreich
1775 Die bis dahin osmanische Bukowina wird von Österreich erworben
1781 Beginn des dritten großen Schwabenzuges in das Banat unter Kaiser Joseph II.
1801 Neugründung der Universität Dorpat
1812 Zar Alexander I. ruft deutsche Siedler nach Bessarabien
1817 Friedrich Schlösser gründet in Ozorków die erste mittelpolnische Textilfabrik
1817 Schwäbische Pietisten wandern nach Georgien aus
1819 Die erste deutsche Siedlung Helenendorf entsteht in Aserbaidschan
1822 Die deutsche Kolonie Sarata entsteht in Bessarabien
1828 Herzog Ferdinand Friedrich von Anhalt-Köthen gründet Askania Nova in Südrussland
1830 Beginn einer Einwanderungswelle deutscher Siedler nach Wolhynien
1840 Beginn der deutschen Einwanderung in die Dobrudscha
1851 An der Eisenbahnspecke Warschau-St. Petersburg arbeiten deutsche Eisenbahnarbeiter
1854 Carl Scheibler gründet in Lódz ein Textilunternehmen, das sich zum größten Europas entwickelt
1861 Aufhebung der Leibeigenschaft in Russland
1875 Gründung der Franz-Josefs- Universität in Czernowitz, der östlichsten deutschsprachigen Universität Europas
1896 Pastor Theodor Zöckler gründet in Stanislau, Ostgalizien, die karitativen Zöcklerschen Anstalten
1900 Von Deutschen bepiebener Wein bau floriert am Kaukasus
1902 Deutsche Mennoniten aus Südrussland gründen eine Kolonie in Westsibirien
1914 Beginn des Ersten Weltkrieges
Die Zahlenangaben beruhen, sofern verfügbar, auf offiziellen Volkszählungsergebnissen.
Wissenschaftler und Interessenvertreter weisen darauf hin, dass die tatsächlichen Zahlen oft höher sind, da sich Angehörige von Minderheiten teilweise nicht als solche zu erkennen geben.
Besonders nach 1945 haben sich viele Deutsche, die in ihren Heimatländern verblieben, auf Grund politischen Drucks in Sprache, Namensschreibweise, Heiratsverhalten und nationalem Selbstverständnis mit der Mehrheitsbevölkerung assimiliert.
In vielen Regionen wird der Vergleich zwischen Vergangenheit und Gegenwart u.a. durch Grenzverschiebungen und Binnenmigrationen erschwert bzw. unmöglich gemacht. Historische Regionen sind heute aufgeteilt auf verschiedene Nachfolgestaaten und bilden keine statistische Einheit mehr. Binnenwanderungen sind statistisch ebenfalls nicht zu erfassen.
Böhmen, Mähren, Österreichisch-Schlesien
- 3.252.000 Deutsche (1910)
- 38.321 Deutsche in der Tschechischen Republik heute (2001)
Baltikum
- 18.319 Deutsche in Estland (1922)
- 70.964 Deutsche in Lettland (1925)
Siebenbürgen
- ca. 300.000 Deutsche in Siebenbürgen
einschließlich Sathmarer Schwaben (1930)
- ca. 15.000 Deutsche heute (2007)
Gottschee
- 12.500 Deutsche in der Gottschee (1940)
- 1.628 Deutsche in ganz Slowenien heute (2002)
Slowakei
- 139.902 Deutsche in der Slowakei (1921)
- 5.405 Deutsche in der Slowakei heute (2001)
Mittlere Donau (Ungarn, Rumänien, Jugoslawien)
- ca. 1.500.000 Deutsche (1918)
- ca. 25.000 Banater Schwaben in Rumänien heute (2007)
- 62.233 Deutsche in Ungarn heute (2001)
- 3.901 Deutsche in Serbien heute (2002)
- 2.902 Deutsche in Kroatien heute (2001)
- 247 „Österreicher“ in Kroatien heute (2001)
Zentralpolen, Wolhynien
- ca. 400.000 Deutsche in „Kongresspolen“ (1897)
- 325 Deutsche in der Woiwodschaft Łódź heute (2002)
- 1.013 Deutsche in der Woiwodschaft Großpolen heute (2002)
- ca. 197.000 Deutsche in Wolhynien (1897)
- keine Angaben verfügbar über Deutsche in der Nordukraine heute
Litauen
- ca. 25.000 Deutsche in Litauen (1941)
- unter 1.000 Deutsche in Litauen heute (2009)
Galizien
- ca. 80.000 Deutsche in Galizien (1900)
- 261 Deutsche in der Woiwodschaft Kleinpolen heute (2002)
- 116 Deutsche in der Woiwodschaft Karpatenvorland heute (2002)
- keine Angaben verfügbar über Deutsche in der Nordukraine heute
Bukowina
- Deutschsprachig (1910):
96.000 Juden
72.000 Christen
- weniger als 100 Deutsche in der Region heute (2009)
Russland
- ca. 2.400.000 Deutsche im gesamten Zarenreich (1914)
- ca. 1.400.000 Deutsche im europäischen Teil Russlands (1914,
ohne Baltikum, „Kongresspolen“, Wolhynien und Bessarabien)
- über 200.000 Deutsche in Sibirien und im Kaukasus (1914)
- 597.212 Deutsche in der Russischen Föderation heute,
davon ca. 350.000 in Sibirien (2002)
- ca. 40.000 Deutsche in der Ukraine heute (1992)
- ca. 300.000 Deutsche in Kasachstan heute (2003)
- ca. 24.000 Deutsche in Usbekistan heute (2001)
- ca. 20.000 Deutsche in Kirgisistan heute (2009)