Aufbruch und Neubeginn

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Auswanderungsgründe

Ausstellungswand Auswanderungsgründe
Ausstellungswand Auswanderungsgründe

Unzufriedenheit mit den Lebensbedingungen in der Heimat und Hoffnung auf günstigere Verhältnisse bewegten Menschen zur Auswanderung. Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit gab es in Deutschland Phasen relativer Überbevölkerung. Das vorhandene Land reichte nicht aus, um die bäuerliche Bevölkerung zu ernähren. Jüngere Söhne mussten von den Höfen weichen. Die Auswanderungsquote war dort besonders hoch, wo durch Realteilung die Hofflächen im Laufe der Generationen besonders klein geworden waren. Drückende Steuerlasten und Militärdienste förderten die Bereitschaft zur Migration. Seit der Reformation bewegte auch die Sehnsucht nach freier Religionsausübung Glaubensgemeinschaften dazu, geschlossen zu emigrieren.

Schon im Mittelalter hatten Herrscher Siedler durch die Gewährung von Privilegien in ihr Land gerufen. Dazu gehörten befristete Steuerfreiheit, Religionsfreiheit, Befreiung von Militärdiensten und das Privileg, nach eigenem Recht zu leben. Im 18. Jahrhundert wurde den Siedlern neben Land auch Baumaterial für Häuser, Saatgut und Vieh zur Verfügung gestellt. Oft entsprachen die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort aber nicht den gegebenen Versprechungen.

Die Anwerbung

Im Mittelalter lag die Umsiedlung von Auswanderungswilligen in den Händen von Lokatoren. Diese Männer handelten im Auftrag von Herrschern und Grundherren. Sie mussten auf eigenes Risiko Anwerbung, Verpflegung und Transport der Siedler organisieren. Am neuen Siedlungsort oblag es ihnen, Land zu vermessen und zuzuweisen. Dafür erhielten sie und ihre Nachkommen abgabenfreies Land, Ämter und Privilegien wie das Schulzenamt oder das Schankrecht. Manche Orte wurden nach Lokatoren benannt, z.B. Hermannstadt in Siebenbürgen.

Im 18. Jahrhundert organisierte die Bürokratie der absolutistischen Staaten die Anwerbung. Österreich und Russland unterhielten in Frankfurt am Main und Ulm Büros zur Anwerbung. Zeitungsinserate priesen das Zielgebiet in den höchsten Tönen. Werber waren in den deutschen Kleinstaaten unbeliebt. Die Landesherren fürchteten die Abwanderung von Betuchten. Nur Arme ließ man gerne ziehen. Einige Fürsten erließen Ausreiseverbote und gaben Warnungen vor übersteigerten Erwartungen aus. In manchen Gebieten konnten sich die Emigrationswilligen freikaufen. Sie erhielten dann Reisepässe. Sogar bargeldloser Zahlungsverkehr, etwa bei Erbschaften, war bereits zwischenstaatlich organisiert.

Katharina II. von Russland
Katharina II. von Russland
Ulmer Schachtel
Ulmer Schachtel

Wanderungswege

Die Reisewege von Auswanderern waren lang, unsicher und beschwerlich. Über die exakten Routen und Reiseverläufe der mittelalterlichen Ostsiedlung ist wenig bekannt. Im Ostseeraum nutzten wohlhabende Kaufleute den Seeweg. Die bäuerlichen Siedler kamen meist über Land. Die Straßen waren schlecht. Die Reise konnte viele Wochen, ja Monate dauern.

Konkretere Informationen besitzen wir über das 18. Jahrhundert. Für die Auswanderung nach Südosteuropa und in das Schwarzmeergebiet wurde die Schiffspassage auf der Donau der wichtigste Weg. In Familienverbänden und so genannten Auswanderungsgesellschaften fanden sich Menschen aus Südwestdeutschland in Ulm zusammen. Oft wurde durch eine Art urchristlicher Gütergemeinschaft auch den Ärmeren der Beitrag in die Reisekasse ermöglicht.

Die Auswanderung begann auf leicht gebauten, hölzernen Lastkähnen von ungefähr zwanzig Metern Länge, den so genannten Ulmer Schachteln. Bis zu 150 Menschen fanden auf ihnen Platz. In Wien wurden die Auswanderer auf andere Donauschiffe verteilt. Trotz Epidemien, Hitze, Kälte und Schiffsbrüchen gelangte der große Teil der Passagiere über den mittleren Donauraum bis hin zur russischen Grenze.

Klöster als Vorreiter der Besiedlung

Klöster spielten im Mittelalter bei der Kultivierung und Besiedlung menschenarmer Regionen in ganz Europa eine wichtige Rolle. Der Zisterzienserorden leistete während des Hochmittelalters einen bedeutenden Beitrag zu Ansiedlungen und großflächigen Rodungen. Seine Regel schrieb vor, Klöster in abgelegenen, menschenleeren Gebieten zu gründen und das Land urbar zu machen. Die Blütezeit des Ordens fällt zusammen mit der deutschen Ostsiedlung. Ordensniederlassungen in Böhmen waren oft Tochtergründungen von Mutterklöstern in Bayern, Filialen in Polen wurden von ostdeutschen Konventen begründet. Im Osten gelangten die Zisterzienser bis in das Baltikum und nach Siebenbürgen. Örtliche Grundherren, die um ihr Seelenheil besorgt waren, stellten den Mönchen Land zur Verfügung. Im Gefolge der Klöster ließen sich Siedler nieder. Der in Frankreich entstandene Zisterzienserorden war eine gesamteuropäische Institution, in der nationale Zugehörigkeit keine Rolle spielte. Die Entscheidung über Neugründungen fiel auf dem jährlichen Generalkapitel im burgundischen Cîteaux. Die Gründungskonvente bestanden aus einem Abt und zwölf Mönchen, die unterschiedlicher Herkunft sein konnten. In den meisten Klöstern lebten Mönche aus verschiedenen Ländern.

Zisterzienser-Kloster Kerz
Zisterzienser-Kloster Kerz