Deutsche in Mittelpolen (Lodz), Wolhynien und Litauen

Litauen, Polen und Wolhynien sind historisch eng miteinander verbunden. Deutsche lebten in diesen Regionen seit den Anfängen der polnischen und litauischen Staatlichkeit. Seit der zweiten Teilung Polens 1793 gehörte Mittelpolen zu Preußen. 1815 wurde es als Teil „Kongresspolens“ an das russische Zarenreich angegliedert. Um den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach den Napoleonischen Kriegen zu bewältigen, warben zunächst die preußische Verwaltung, dann die polnischen Grundherren und die kongresspolnische Regierung deutschsprachige Tuchmacher und Weber u.a. aus Schwaben, Baden, Schlesien, Sachsen und Böhmen. Das seit dem 14. Jahrhundert bestehende Łódź entwickelte sich Mitte des 19. Jahrhunderts zur international bedeutenden Textilindustrieregion.

Die Einrichtung riesiger Fabriken mit mechanischen Webstühlen in Mittelpolen raubte dem Handbetrieb und den daran gebundenen Tuchmachermeistern ab den 1830er Jahren die Arbeit. Nicht alle fanden ihr Glück im „gelobten Land“ Łódź. Viele wanderten daher nach Wolhynien aus, das 1793 bei der Zweiten Polnischen Teilung an Russland gefallen war. Den größten Zuzug deutscher Handwerker und Landwirte erlebte Wolhynien in den 1830er und 1860er Jahren.

Nach Litauen gelangten die ersten Deutschen bereits im 14. Jahrhundert. Da sie meist Handelsposten für Partner aus den angrenzenden baltischen Regionen besetzten, gewannen sie nur wenig Einfluss. In späteren Jahrhunderten warben litauische Adelige gezielt um deutsche Bauern zur Bewirtschaftung ihrer Güter. Andere Deutsche suchten von sich aus einen Ausweg aus ihrer Armut in den angrenzenden preußischen Gebieten. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts begann die Einwanderung deutscher Arbeiter. Bedeutsam war ihr Anteil an der in den 1860er Jahren einsetzenden Industrialisierung Litauens.

Lodz, Neuer Ring
Lodz, Neuer Ring
Ausstellungswand zu Wolhynien
Ausstellungswand zu Wolhynien

Lodz – Das Manchester Polens

Bereits im Mittelalter hatten viele polnische Städte einen hohen deutschen Bevölkerungsanteil, z.B. die Hauptstadt Krakau. Im 19. Jahrhundert zog die Łódźer Region Zuwanderer aus ganz Europa an, darunter Deutsche aus Böhmen, Mähren, Sachsen, Schlesien, Westpreußen, Posen, Hessen, dem Rheinland, Westfalen und Thüringen. Um 1820 wurde eine Reihe von mittelpolnischen Ortschaften per Dekret zu Fabrikstädten erklärt, so auch Łódź, das in den 1830er Jahren die traditionellen Textilzentren der Region Dąbie, Ozorków und Zgierz überholte. Der Rheinländer Friedrich Schlösser errichtete 1817 in Ozorków das erste mittelpolnische Textilgroßunternehmen. In Łódź trug Carl Scheibler entscheidend zum Aufstieg der Stadt zum Zentrum der polnischen Textilindustrie bei.

Wer in Łódź eine Textilfabrik gründete, erhielt gemäß dem Zgierzer Vertrag von 1821 neben kostenlosem Land, Krediten und Steuerermäßigungen auch politische Freiheiten, war vom Militärdienst befreit und konnte Vereine zur Traditionspflege gründen. Die Großindustrialisierung der Region zwischen 1870 und 1914 wurde begünstigt durch einen aufnahmefähigen russischen Markt, die Übernahme westeuropäischer Technologien sowie den Zustrom billiger Arbeitskräfte.

Zwischen 1810 und 1827 lebten in Kongresspolen etwa 50.000 Deutsche, davon fast drei Viertel in der Łódźer Industrieregion.

Carl Wilhelm Scheibler (1820-1881)
Carl Wilhelm Scheibler (1820-1881)
Die Scheiblerschen Werke in Łódź
Die Scheiblerschen Werke in Łódź
Palais Scheibler
Palais Scheibler

Deutsche Kolonisten im 19. Jahrhundert in Wolhynien

Baron Theodor Steinheil (1870-1946)
Baron Theodor Steinheil (1870-1946)
Dorfstraße von Horodok
Dorfstraße von Horodok
Backofenbau
Backofenbau

Wolhynien gehörte im Mittelalter zu Litauen, später zum polnisch- litauischen Staat. 1795 fiel es an Russland; heute liegt es in der nordwestlichen Ukraine. Kontakte zu deutschen Regionen gab es seit dem Mittelalter. Im 19. Jahrhundert kam eine große Zahl deutscher Handwerker und Landwirte aus Schlesien, Pommern, Posen, Ost- und Westpreußen nach Wolhynien. Viele verließen Mittelpolen wegen der Mechanisierung der Textiltechnik und nach dem polnischen Aufstand von 1831.

Die Zuwanderung verstärkte sich nach dem Ende der russischen Leibeigenschaft 1861, in deren Folge Pachtordnung und Kaufrechte für Grund und Boden geregelt und Arbeitskräfte gesucht wurden. Außerdem flüchteten Deutsche vor dem zweiten polnischen Aufstand 1863/64 nach Russland. Während in anderen Regionen des Russischen Reiches die Ansiedlung vom Staat initiiert wurde, waren es in Wolhynien die Grundbesitzer. Die eingewanderten Deutschen gründeten hier selbstverwaltete Bauern- und Handwerkerkolonien und führten Neuerungen im Handwerk, in Acker- und Viehwirtschaft ein.

Um den Zustrom einzudämmen, strich die russische Verwaltung den Deutschen seit den 1880er Jahren zahlreiche Sonderrechte. Zwar wanderten viele Deutsche nach Übersee aus, doch stieg ihre Zahl in Wolhynien bis 1914 weiter auf fast 210.000.

Eisenbahnbau in Litauen

Litauen, Polen und Wolhynien sind historisch eng miteinander verbunden. Deutsche lebten in diesen Regionen seit den Anfängen der polnischen und litauischen Staatlichkeit. Seit der zweiten Teilung Polens 1793 gehörte Mittelpolen zu Preußen. 1815 wurde es als Teil „Kongresspolens“ an das russische Zarenreich angegliedert. Um den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach den Napoleonischen Kriegen zu bewältigen, warben zunächst die preußische Verwaltung, dann die polnischen Grundherren und die kongresspolnische Regierung deutschsprachige Tuchmacher und Weber u.a. aus Schwaben, Baden, Schlesien, Sachsen und Böhmen. Das seit dem 14. Jahrhundert bestehende Łódź entwickelte sich Mitte des 19. Jahrhunderts zur international bedeutenden Textilindustrieregion.

Die Einrichtung riesiger Fabriken mit mechanischen Webstühlen in Mittelpolen raubte dem Handbetrieb und den daran gebundenen Tuchmachermeistern ab den 1830er Jahren die Arbeit. Nicht alle fanden ihr Glück im „gelobten Land“ Łódź. Viele wanderten daher nach Wolhynien aus, das 1793 bei der Zweiten Polnischen Teilung an Russland gefallen war. Den größten Zuzug deutscher Handwerker und Landwirte erlebte Wolhynien in den 1830er und 1860er Jahren.

Nach Litauen gelangten die ersten Deutschen bereits im 14. Jahrhundert. Da sie meist Handelsposten für Partner aus den angrenzenden baltischen Regionen besetzten, gewannen sie nur wenig Einfluss. In späteren Jahrhunderten warben litauische Adelige gezielt um deutsche Bauern zur Bewirtschaftung ihrer Güter. Andere Deutsche suchten von sich aus einen Ausweg aus ihrer Armut in den angrenzenden preußischen Gebieten. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts begann die Einwanderung deutscher Arbeiter. Bedeutsam war ihr Anteil an der in den 1860er Jahren einsetzenden Industrialisierung Litauens.

Silberner Deckelpokal
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Eisenbahnstrecke Königsberg - Kowno.
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