Architekturen der Ansiedlung: Vom Lager zum Eigenheim

Für die meisten Vertriebenen waren Baracken die erste Unterkunft. Die Baracke als Bausatz überzeugte, da sie ortsungebunden, schnell und multifunktional eingesetzt werden konnte. Das machte sie für Auffanglager zum Standardmodell. Viele aus dem Zweiten Weltkrieg vorhandene Baracken wurden weiter genutzt und mit Beton und Ziegeln zu festen Gebäuden um- und ausgebaut.

Durch den Lastenausgleich und das Wohnungsbauförderungsgesetz kam ab 1950 der Siedlungsbau in Schwung. Die ersten, die aktiv Baupolitik betrieben, waren die Stadt- und Gemeindeverwaltungen. Karitative Verbände entwickelten Notgemeinschaften und Genossenschaften für den Haus- und Wohnungsbau, der an den Ortsrändern blühte. Was zählte, war Eigenleistung: Die Tagwerkstunden wurden mit Krediten verrechnet, handwerkliche Fähigkeiten in Bauvereinen gebündelt. Die "Siedler" wurden vom Arbeitsamt für die Aufbauarbeit freigestellt. 

Es entstanden zweigeschossige Einzel- und Doppelhäuser im "klassischen" Siedlungsstil nach Regelgrundrissen mit Satteldächern wie auch moderne Flachdachbauten. Allen gemein war eine einfache Raumaufteilung in Hohlblockstein- und Ziegelsteinbauweise mit maximal 70 Quadratmetern Wohnfläche. Wo der Platz es zuließ, sah die kommunale Siedlungsplanung Häuser mit Kleingärten vor, um gerade in den Anfangsjahren Eigenbewirtschaftung zu fördern. In den Großstädten bevorzugten die Stadtverwaltungen eher den mehrgeschossigen Mietwohnungsbau. Es wurden Wohnungstypen entwickelt, die mit geringem technischem Aufwand, kurzen Vorbereitungszeiten und wirtschaftlich günstig zu erstellen waren.

Zeichnung der "Doeckerbaracke"

Zeichnung der "Doeckerbaracke", 1885. Johann Clemens Doecker gewann mit seinem Entwurf in der Ausführung der Firma Christoph & Unmack auf der Antwerpener Weltausstellung 1885 den Wettbewerb für eine leichte Sanitäts- und Lazarettbaracke für Kriegs- und Friedenszeiten. Die Baracke fußte auf einem modularen, transportablen Wandtafelsystem, das von Laien innerhalb von vier Stunden aufgebaut werden konnte. Sie avancierte zum ersten architektonischen Massenprodukt des 20. Jahrhunderts.

© Aus: Bernhard von Langenbeck / Alwin von Coler / Otto Werner: Die transportable Lazareth-Baracke, Berlin 1890.

Bauzeichnung zum Umbau einer Baracke zu einer Kirche im Lager Lübeck-Blankensee (Maßstab: 1:100), 1959. Das Flüchtlingslager befand sich am Flughafen Lübeck-Blankensee. Dieser wurde seit 1935 von der Luftwaffe als Fliegerhorst genutzt. Neben Kasernengebäuden entstanden Lager für Zwangsarbeiter. Während der Berlin-Blockade 1948/49 flogen britische Flieger von hier nach Berlin, transportierten Kohle in die abgeschlossene Stadt und brachten Flüchtlinge mit zurück.

© Landeskirchliches Archiv Kiel (bis 31.5.2012 Nordelbisches Kirchenarchiv), 40.01 (Landeskirche Lübeck - Kirchenleitung) Nr. 1889

Das Planungsbüro von Max Ilgner, 1949. Dr. Max Ilgner kam 1948 - nach seiner Verurteilung wegen seiner Tätigkeit für die IG-Farben vor 1945 und der vorzeitigen Haftentlassung - nach Espelkamp. Im Auftrag der Evangelischen Kirche Deutschlands und der Westfälischen Landeskirche übernahm er die Gesamtplanung und entwarf für die "Aufbaugemeinschaft Espelkamp GmbH" eine moderne Siedlung für Vertriebene.

© Stadtarchiv Espelkamp

Bau eines Einfamilienhauses, 1951. Der Kelleraushub musste per Muskelkraft geschehen. Im Hintergrund ist ein ehemaliger Bunker zu sehen. Viele Vertriebene investierten die Mittel, die sie im Rahmen des Lastenausgleichs erhielten, direkt in solche Bauprojekte. Darüber hinaus konnten sie, genau wie die Einheimischen, zinsverbilligte Kredite und Arbeitgeberzuschüsse erhalten.

© Stadtarchiv Waldkraiburg

Aussegnungshalle im Waldfriedhof in Waldkraiburg, 1968. Moderne Architektur ersetzte auch bei Sakralbauten nach und nach die Provisorien.

© Stadtarchiv Waldkraiburg

Wohnungsbau für Flüchtlinge, 1960. Eine Frau aus der Batschka packt beim Hausbau mit an. Durch Eigenleistungen und Nachbarschaftshilfe sollten Kosten gespart werden. Das erste Wohnungsbaugesetz vom 24. April 1950 bevorzugte Bauvorhaben, die unter Einsatz von Selbsthilfe erstellt wurden.

© Süddeutsche Zeitung Photo / Foto: Juliette Lasserre

Bauverein "Glaube und Tat" in Witten an der Ruhr, um 1950. Die Selbstbeteiligung am Wohnungsbau wurde lokal oft durch kirchliche Bauvereine organisiert und zusammengefasst.

© Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kreuzgemeinde Witten (Pfarrer B. Zühlke)

Bauverein "Glaube und Tat" in Witten an der Ruhr, um 1950. Die Selbstbeteiligung am Wohnungsbau wurde lokal oft durch kirchliche Bauvereine organisiert und zusammengefasst. Holzbaracken als erste Wohnungen in Waldkraiburg im Flüchtlingslager Pürten, um 1950. In die Baracken des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers Pürten wurden ab April 1946 Sudetendeutsche aus Marienbad einquartiert.

© Stadtarchiv Waldkraiburg

Siedlungshäuser für vertriebene Fischer aus den deutschen Ostgebieten in Laboe am Ostufer der Kieler Förde (ohne Datum).

© Landesarchiv Schleswig-Holstein / Signatur: Abt. 2003.1 Nr. 7825

Neubau im Wolfsburger Stadtteil Hellwinkel, um 1955. Zur Linderung der Wohnungsnot trugen die von der VW-Wohnungsbaugesellschaft erbauten "Werkssiedlungen" bei. Die Siedlung Hellwinkel, 1955 als eine von fünf Waldsiedlungen geplant, wurde zu einem wegweisenden Wohnungsbauprojekt.

© Stadtarchiv Wolfsburg / Foto: Willi Luther

Mehrgeschossiger Wohnungsbau in Wolfsburg, 1953. Die von der Kommune geförderten Wohnungen konnten ab 1953 bezogen werden.

© Stadtarchiv Wolfsburg

Evangelische Bunkerkirche in Waldkraiburg, um 1960. Neben Baracken wurden vorhandene Bunker zu Nutzbauten umfunktioniert. Mithilfe von Spenden wurde 1951 in Waldkraiburg aus einem Bunker des ehemaligen Sprengchemiewerks Kraiburg eine Kirche gebaut. Die kleine Glocke von 1810 stammt aus der Kirche von Dirsdorf in Schlesien.

© Stadtarchiv Waldkraiburg

Bewohnte Bunker in der Reichenberger Straße mit Betonstraßen des ehemaligen Pulverwerks in Waldkraiburg, um 1960. Eine neue Straßenplanung ersetzte in Waldkraiburg bald die alten Betonbahnen, die für den modernen Verkehr nicht geeignet waren.

© Stadtarchiv Waldkraiburg

Unter dem Leitwort 'Arbeit schafft Heimat' vollbrachten die Bürger von Waldkraiburg erstaunliche Erfolge. Aus dem Trümmerhaufen der ersten Nachkriegsjahre entstand die vielbeachtete 'Industriesiedlung im Grünen', wie sie häufig genannt wird." 

Bürgermeister Hubert Rösler (1900-1981) aus dem Sudetenland
in: Gemeinde Waldkraiburg: Waldkraiburg - die aufstrebende Industriesiedlung, Broschüre, um 1954.
Hubert Rösler war der erste Bürgermeister von Waldkraiburg (1950-1966).

Über Augsburg kamen wir nach Kaufbeuren, waren 3 Wochen in der Turnhalle untergebracht, wurden geimpft u. dann brachte man uns in die Dörfer ringsum - wo man uns nicht wollte. Auch das war eine schlimme Zeit. Ich fand bald Arbeit in Kfb. [Kaufbeuren]. Wir machten Broschen aus Holz, die ich mit meinen Kolleginnen mit Blumen u.Ä. bemalte. Nach einem Jahr (1947) heiratete ich nach Augsburg u. es dauerte, bis wir dort ein winziges Zimmerchen bekamen. Nach 8 Jahren hörten wir, daß in Kfb. Neugabl. [Neugablonz] für Flüchtlinge gebaut wurde. Mein Mann fand Arbeit u. wir bekamen endlich eine Wohnung. 1 Wohnküche, 1 Schlafzimmer u. sogar ein Bad."

Anna Traubach (*1923) aus Reichenau bei Gablonz an der Neiße, Nordböhmen
Handschriftliche Aufzeichnungen, 
in: Sammlung von Zeitzeugenberichten auf der privaten Internetseite von Peter Dittert.
Anna Traubach hatte bis kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in einem Gablonzer Betrieb Schmuck hergestellt.

Als ich 1958 von Württemberg nach [Neu-]Gablonz zog, weil wir dort ein Haus gebaut hatten, da war es das Schönste, dass man auf der Straße oder im Laden überall hörte: Bist du nicht die, ach ja, richtig. Grüß Gott. Willkommen. Man hat sehr viele bekannte Gesichter getroffen und fühlte sich sofort wie zu Hause. Die Menschen bilden sich ja schnell wieder eine Heimat, wenn sonst nichts übrig geblieben ist."

Elisabeth Vietze aus Gablonz an der Neiße, Nordböhmen
in: Sebastian Kraft: "Einmalig in der Vertriebenengeschichte" - aus Gablonz wurde Neugablonz, Beitrag für Radio Prag, 8. Oktober 2005.
Elisabeth Vietze wurde im Alter von 25 Jahren aus Gablonz vertrieben. Später setzte sie sich im Stadtrat von Kaufbeuren für eine gute Partnerschaft zwischen Alt- und Neugablonz ein.

Die Tatsache, dass so viele Vertriebene aus einer Stadt wieder zusammengefunden haben, hat auch eine Kehrseite der Medaille: Natürlich half ihnen diese Gemeinschaft beim Aufbau einer neuen Existenz in Bayern, aber die Verbitterung über die Vertreibung und die damit verbundene Ablehnung einer Versöhnung mit uns Tschechen ist nach meinen Erfahrungen dort viel mehr ausgeprägt als irgendwo anders in Deutschland, wo Vertriebene verstreut leben."

Antonin Bratrsovsky
in: Sebastian Kraft: "Einmalig in der Vertriebenengeschichte" - aus Gablonz wurde Neugablonz, Beitrag für Radio Prag, 8. Oktober 2005.
Antonin Bratrsovsky ist Dekan in Alt-Gablonz in Tschechien. Er setzt sich für die Versöhnungsarbeit zwischen Deutschen und Tschechen ein und pflegt den Kontakt mit Neugablonz.

Wir können heute nur staunend und dankbar bekunden, dass das Wagnis Espelkamp gelungen ist. [...] Espelkamp bestand zunächst nur aus niedrigen Häusern in einem riesigen Wald, im Laufe der Zeit wurde die Stadt aber zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor in der Region."

Waltraud Meyer bei einem Festgottesdienst in Espelkamp anlässlich des 50. Jahrestages der Grundsteinlegung der Thomaskirche, November 2010
in: Christine Scheele: "Wagnis Espelkamp ist gelungen", in: Neue Westfälische, 16. November 2010.

Mit der Produktivgenossenschaft der 'Graslitzer Musikinstrumentenerzeuger e.G.m.b.H.' stellt sich ein Zusammenschluß früher in Graslitz/CSR (Nordböhmen) ansässiger Spezialisten auf dem Gebiet des Musik-Blasinstrumentenbaues vor, der für das weitere Aufblühen der Waldkraiburger Kolonie zu den schönsten Hoffnungen berechtigt. [...] Diese Graslitzer unterlagen wie alle Ausgewiesenen der Gewichtsbeschränkung des Gepäcks, das mitgenommen werden durfte. Viele von ihnen aber brachten unter Verzicht auf manches andere Wertvolle das für sie und ihr künftiges Leben Wichtigste mit: ihre Spezialhandwerkzeuge."

Walter Lindner
Waldkraiburg - Vom Bunker zur Siedlung. Die vierjährige Geschichte einer Industriesiedlung von Heimatvertriebenen in Oberbayern, München 1950.
Walter Lindner, der Autor dieser Chronik Waldkraiburgs, hatte die Geschehnisse seit der Ankunft der ersten Vertriebenen als Zeitzeuge selbst miterlebt.

Im Frühjahr 1949 sagte Herr V. [der Amtsvorsteher] eines Tages zu meinem Vater: 'Herr Eichler, haben Sie Lust zu bauen?' Vater traute seinen Ohren nicht. Er faßte es als Witz auf. 'Wo und womit sollen wir bauen?' Herr V. antwortete: 'Die Gemeinde hat vom ERP-Plan [...] [European Recovery Program - Marshallplan] Geld bekommen. Dies soll für Bauzwecke vergeben werden. Wenn sich in der Gemeinde Hemmingstedt keine Interessenten melden, gehen die Darlehnsgelder an andere Gemeinden. Außerdem bin ich bereit, Bauland an die Bewerber gratis abzugeben.' 'Ja', sagte mein Vater, 'wenn das so ist, kann man es sich ja überlegen.' [...] 

Das Bauen war jetzt ständiges Thema. [...] Mit der Einzahlung von 300,- DM wurde man Mitglied der Siedlungsgenossenschaft. Es mußten jedoch noch weitere Bauinteressenten gefunden werden, denn das Bauland war für fünf Siedler vorgesehen. Die Größe des Grundstückes betrug 1000 Quadratmeter. Die Kosten des Hauses wurden auf 11 000,- DM ausgeschrieben. Das Landesdarlehen betrug 9000,- DM. Der Rest sollte von dem Bauherrn als Eigenleistung erbracht werden. In der Eigenleistung war das Bauland angerechnet. Die meisten übernahmen die Malerarbeiten als Eigenleistung."

Charlotte Kloß aus Ostpreußen
in: Willy Diercks: Flüchtlingsland Schleswig-Holstein. Erlebnisberichte vom Neuanfang, Heide 1997.

Das Wesentliche bei diesem Vorgehen ist, dass eine Reihe leistungsfähiger Fabrikationen aufgezogen werden, die möglichst arbeitsintensiv sind, d.h. möglichst viel[e] Ostvertriebene und Heimkehrer beschäftigen können. [...] Es wird Bestandteil der durchzuführenden Planung sein müssen, den Ärmsten der Armen vollzählig Arbeit und soweit möglich, auch Wohnung in Espelkamp zu verschaffen."

Max Ilgner (1899?1966), 1948
in: Ruby Simon: Espelkamp - Geschichte lebendig 1945-1959. Es begann in Hallen und Baracken, Lübbecke 1986.
Dr. Max Ilgner, ehemals Vorstandsmitglied der IG Farben, wurde 1948 mit der Gesamtplanung der Siedlung Espelkamp beauftragt. 

Der Erfolg der Vertriebenenstädte

Aus versteckt liegenden Munitionsfabrikgeländen und Zwangsarbeiterlagern wurden nach 1945 Vertriebenensiedlungen, die mit wachsender Infrastruktur zu Gemeinden wuchsen. Die Einwohnerzahl von Geretsried, Neugablonz, Neutraubling, Traunreut und Waldkraiburg in Bayern, Espelkamp in Nordrhein-Westfalen und Trappenkamp in Schleswig-Holstein stieg mit der Ankunft weiterer Flüchtlinge kontinuierlich. Bis auf die Gemeinden Trappenkamp sowie Neugablonz als Stadtteil von Kaufbeuren erhielten alle zwischen 1960 und 1987 das Stadtrecht.

Mangels anfänglichem Grund- und Kapitalvermögen mussten die Gemeinden aus sich selbst heraus den Aufbau versuchen. Die mitgebrachten handwerklichen Fähigkeiten wurden genutzt, um die Produktion von Gütern aus den Herkunftsgebieten wieder aufzunehmen: Textilien, Gablonzer Glasprodukte und Modeschmuck, Blechblasinstrumente und Nahrungsmittel. So setzte man neben den florierenden lokalen Gewerben, dem Einzelhandel und der Gebrauchsgüterindustrie vor allem auf wertschöpfende Exportartikel. Ab Mitte der 1950er Jahre zeichneten sich die Vertriebenenstädte durch ein kontinuierliches wirtschaftliches Wachstum aus. Dazu trug auch die Schaffung von neuen Gewerbe- und Industriegebieten bei. Dort etablierten sich Schlüsselindustrien wie Maschinenbau und Zulieferbetriebe.

Durch den hohen Bevölkerungsanteil von Vertriebenen entwickelte sich in diesen Orten eine eigene Erinnerungskultur und ein Stadtgeschichtsbewusstsein, das die Stadtbilder nachhaltig prägte.

Luftaufnahme von Waldkraiburg, Juni 2004.

© Stadtarchiv Waldkraiburg

Rohbau eines Einfamilienhauses, 1951.

© Stadtarchiv Waldkraiburg

Fertiggestelltes Einfamilienhaus, 1951.

© Stadtarchiv Waldkraiburg

Feuerwehrgebäude an der Ecke Teplitzer-/ Prießnitzstraße in Waldkraiburg, September 1990.

© Stadtarchiv Waldkraiburg

Bürgermeisteramtskette von Waldkraiburg zum 15. Stadtjubiläum, 1965.

© Stadtarchiv Waldkraiburg

Modell der Siedlung Espelkamp, 1956.

© ullstein bild

Ankunft einer Flüchtlingsfamilie in Espelkamp, 1949.

© Stadtarchiv Espelkamp

Umbau einer Munahalle in Espelkamp, 1949.

© Stadtarchiv Espelkamp

Friseurgeschäft in einer umgebauten Munahalle in Espelkamp (ohne Datum).

© Stadtarchiv Espelkamp

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Karl Arnold (CDU) bei der "Espelkamper Woche", 1951.

© Stadtarchiv Espelkamp

Südtor von Espelkamp mit einem zur zweiten "Espelkamper Woche" gestifteten Wahrzeichen, 1952.

© Stadtarchiv Espelkamp

Fallbeispiel Stukenbrock

Luftaufnahme des Sozialwerks Stukenbrock, um 1962.

Luftaufnahme des Sozialwerks Stukenbrock, um 1962. Die Luftaufnahme zeigt das Sozialwerk Stukenbrock in nordwestlicher Richtung. Die früheren Nissenhütten sind bereits vollständig abgerissen und ein großer Teil der einstigen Baracken durch neue, zeitgemäßere Plattenbauten ersetzt worden.

© Archiv Gerd Plückelmann / Foto: Zeidler Luftbild

Die Entwicklung des Lagers in Stukenbrock-Senne in Nordrhein-Westfalen (NRW) steht exemplarisch für viele in Deutschland: Aus dem Lager für russische Kriegsgefangene Stalag 326 wurde von 1945 bis 1948 ein Internierungslager für NS-Führungskräfte und Kriegsverbrecher. Danach richtete das Sozialministerium von NRW auf dem Gebiet ein Flüchtlings- und Auffanglager, das Sozialwerk Stukenbrock, ein. Es bestand von 1948 bis 1970.  

Beim Aufbau der Infrastruktur und der Anstellung des Personals arbeiteten unterschiedliche Wohlfahrtsverbände eng zusammen: Neben dem Evangelischen Hilfswerk Westfalen auch die Caritas, das Deutsche Rote Kreuz, die Arbeiterwohlfahrt und der Westfälische Blindenverein. Auf gut 500.000 Quadratmetern standen hier 140 Baracken und 130 Nissenhütten zumeist unmöbliert zur Verfügung. Um die zunehmende Anzahl von Vertriebenen aufnehmen zu können, entstand nach und nach aus den alten Gebäuden eine Kleinstadt mit Kirche, Schule, Behelfskrankenhaus, Poststelle, einem kleinen Kaufhaus, Frisör, Lesehalle, Badehaus, Schuster und Werkstätten.

Gerd Plückelmann wurde 1950 in Stukenbrock geboren, die Familie lebte bis 1965 dort, der Vater war Mitarbeiter des Sozialwerks. Seine Fotodokumentation gibt einen genauen Einblick in den stetigen Aufstieg vom Lager zur Siedlung.

Verschönerte Baracken im Sozialwerk Stukenbrock, 1950. Die dunkelrot gestrichen Baracken waren für viele tausend Flüchtlinge wieder das erste richtige Zuhause. Befestigte Wege und liebevoll bepflanzte Vorgärten gehörten bereits 1950 zum Bild des Sozialwerks Stukenbrock. Der Ausbau des elektrischen Stromnetzes sorgte im Lager für etwas Komfort. Langsam entstand eine richtige kleine Stadt.

© Archiv Gerd Plückelmann / Foto: privat

Baden im Feuerlöschteich, 1949. Obwohl eigentlich nicht erlaubt, bot der zentral gelegene Feuerlöschteich im Sommer Badespaß. Im Hintergrund der kleine Hühner- und Schweinestall, dessen Erzeugnisse gelegentlich den zunächst bescheidenen Speiseplan bereicherten.

© Archiv Gerd Plückelmann / Foto: privat

Labor des Behelfskrankenhauses, 1950. Damit Krankheiten behandelt und die neu angekommenen Flüchtlinge untersucht werden konnten, gab es im Lager ein Behelfskrankenhaus. Der erste Arzt war selbst ein Flüchtling. Behandelt werden mussten vor allem internistische und infektiöse Erkrankungen. Selbst ein kleines Labor und ein einfacher Operationssaal standen dem Arzt zur Verfügung. Im Kreißsaal kamen viele Kinder zur Welt.

© Archiv Gerd Plückelmann / Foto: privat

Die Katholische Lagerkirche, 1962. Im Wohnblock der Caritas stand in einer parkähnlichen Anlage die Katholische Lagerkirche, die heute jedoch nicht mehr existiert. Sie war, wie auch die 1949 eingeweihte und heute unter Denkmalschutz stehende Evangelische Lagerkirche, aus einer Baracke entstanden und trug einen kleinen, hölzernen Kirchturm. Es besuchten oft so viele Menschen die Gottesdienste, dass die beiden Kirchen dem Ansturm kaum gewachsen waren.

© Archiv Gerd Plückelmann / Foto: Postkarte

Klassenfoto vor der Lagerschule, 1950. Das Sozialwerk Stukenbrock verfügte über eine eigene Lagerschule. Die Abbildung zeigt eine Schulklasse vor der dunkelroten Schulbaracke mit Lehrer Adam. Bis zu 150 Schülerinnen und Schüler waren in den zwei Klassenräumen untergebracht und wurden neben Herrn Adam auch von Lehrerin "Fräulein" Krause unterrichtet.

© Archiv Gerd Plückelmann / Foto: privat

Unterricht in der Lagerschule, 1950. Jungen und Mädchen saßen getrennt voneinander im Schulzimmer. In den Klassen der Lagerschule hatten unterschiedliche Jahrgänge gleichzeitig Unterricht. Während sich die einen leise im Schönschreiben übten, versuchten sich die anderen im Lösen von Rechenaufgaben. Disziplin war notwendige Voraussetzung für eine solche Form des Unterrichts.

© Archiv Gerd Plückelmann / Foto: privat

Innenansicht einer neuen Unterkunft, 1960. Ende der 1950er Jahre wichen die Baracken und Nissenhütten in Stukenbrock neuen Wohngebäuden. Die Zimmer waren nun viel größer und heller als in den alten Baracken, die Einrichtungen komfortabler, man hatte mehr Privatsphäre. Wer persönliche Gegenstände wie Bilder oder Teppiche auf der Flucht retten konnte, hatte nun die Möglichkeit, seinen Wohnbereich mit diesen Erinnerungsstücken auszustatten.

© Archiv Gerd Plückelmann / Foto: Ernst Lohöfener

Kultur- und Religionsaustausch

Die kulturelle und konfessionelle Struktur Deutschlands hat sich nach 1945 durch die Eingliederung von Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen stark verändert. Die Unterbringung erfolgte oft in geschlossenen Gebieten anderer Konfession, so dass in den ersten Jahren eine doppelte Kirchennutzung organisiert werden musste. Bis 1950 wurden durchschnittlich 200 Kirchen pro Bistum von evangelisch-lutherischen und katholischen Gemeinden gemeinsam genutzt. Improvisation war das Gebot der Stunde, um Glaubensangehörige auch in der Diaspora zu erreichen. Sobald die Mittel bereit standen, wurde in neue Kirchenbauten investiert. Neben ihren Hauptaufgaben, der Seelsorge, der karitativen Versorgung und dem Suchdienst, boten die Kirchen vielen einen Halt, eine Art neue ideelle Heimat.

Innerhalb der Konfessionen wurde konfliktreich um die kulturelle und inhaltliche Ausgestaltung des religiösen und des Alltagslebens gestritten. Die zwangsläufige Ökumene der Anfangsjahre blieb dabei nicht ohne Folgen. Eingeschliffene Traditionen und kulturelle Konventionen wurden gerade in ländlichen Gebieten in Frage gestellt. "Mischehen" veränderten das soziale Milieu. Nicht nur Hochzeiten und Begräbnisse, sondern auch die Gestaltung der Feierlichkeiten zu Ostern und Weihnachten oder die Begehung von Wallfahrten erfuhren einen Wandel, und im Laufe der Zeit vermischten sich Bräuche und kulturelle Eigenheiten wie beispielsweise die Festtagsküchen. Stand am Anfang oft der Kulturschock, so führte der Weg am Ende zum Kulturtransfer von Ost nach West, von evangelisch zu katholisch und umgekehrt.

Fahrender Priester, zwischen 1948 und 1955. Priester wie Pater Werenfried van Straaten reisten in der Nachkriegszeit zur seelsorgerischen Betreuung der Vertriebenen mit Motorrädern über das Land. Seit 1948 organisierte van Straaten von Königstein i.T. aus den Einsatz von Rucksackpriestern.

© Hessisches Hauptstaatsarchiv, HHStAW Abt. 3008 - Bildersammlung

"Grenzlandwallfahrt" der heimatvertriebenen Böhmerwäldler nach Passau-Mariahilf, Mai 1957. Heimatvertriebene tragen das Gnadenbild Unserer Lieben Frau von Tusset. Zu den verschiedenen Wallfahrtsformen gehörten auch die grenzüberschreitenden Wallfahrten nach beziehungsweise aus Böhmen, die für die Grenzregion von großer Bedeutung waren. Dieser Aufbruch von Katholiken ins deutsch-tschechische "Grenzland" konnte unterschiedlich gedeutet werden: Manche sahen darin einen Beitrag zu Erinnerung, Versöhnung und kulturellem Austausch, andere eine nationale Pflicht und viele vor allem einen Missionsauftrag.

© KNA-Bild

Mobile Seelsorge, zwischen 1950 und 1955. Fahrende Kapellen der "Ostpriesterhilfe" gehörten zur Aktion "Kirche in Not". Mit Bussen und Sattelschleppern, ausgebaut mit Gottesdienstraum, Beichtstuhl und Unterkunft für zwei Geistliche, fuhren die Priester, oft selbst Vertriebene, von Ort zu Ort und boten neben der Seelsorge meist noch eine Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung und Medizin. Von 1950 bis 1955 erreichte die Kapellenwagenmission mit 26 Wagen über eine Million Katholiken.

© Hessisches Hauptstaatsarchiv, HHStAW Abt. 3008 - Bildersammlung

Franz-Josef Tusch (1883 -1971), katholischer Pfarrer in Wewelsburg von 1934 bis 1958, im Pfarrgarten, 1949. Pfarrer Tuschs Bemühungen in der Gemeinde waren geprägt von der Jugendarbeit. Durch Vereinsgründungen baute er Brücken zwischen einheimischen und vertriebenen Jugendlichen. Nicht konfliktfrei verliefen seine Anstrengungen, mit den vertriebenen Schlesiern über eine Reform des katholischen Brauchtums zu verhandeln.

© Kreismuseum Wewelsburg, Fotoarchiv 1.5.2.11.

Die 1957 errichtete katholische Kirche Sankt Johannes Evangelist mit Vordach in Nürtingen, 2009. Für die aus Alt- und Neubürgern bestehende Pfarrgemeinde war der Anbau des Vordaches wegweisend. Er trug einer Tradition der Vertriebenen Rechnung. Ihr Gemeindeverständnis äußerte sich darin, dass man nach der Messe noch zusammenblieb, was für die Alteingesessenen neu war. Das Dach schützte vor Wind und Wetter.

© Haus der Geschichte Baden-Württemberg / Foto: C. Dowe

Weihe von Kapellenwagen, 4. April 1954. Julius Döpfner, Bischof von Würzburg, weiht auf dem Würzburger Residenzplatz 15 Kapellenwagen der "Ostpriesterhilfe". Die Wagen enthielten einen Altar, ein Kirchzelt und eine Behelfswohnung für die mitreisenden Geistlichen.

© KNA-Bild

Der Alltag der Vertriebenen in Westdeutschland

Die wirtschaftliche Integration der meisten Vertriebenen gelang im Verlauf der 1950er Jahre. Um sich heimisch zu fühlen, brauchten Viele jedoch weitaus länger. Auch die nächste Generation erfuhr teilweise noch offene Diskriminierung. Später ging oft ein Riss selbst durch Familien, wenn die Jüngeren die Heimatverbundenheit der Eltern oder Großeltern als unzeitgemäß kritisierten und ihnen mit Unverständnis oder Desinteresse begegneten.

Die Einbindung in Vereine, Parteien oder Kirchengemeinden erleichterte es, sich einzuleben und nicht mehr als Fremde wahrgenommen zu werden. Schützen-, Sport- und Kleingartenvereine verwehrten jedoch teilweise noch bis in die 1960er Jahre Vertriebenen die Mitgliedschaft. Das führte etwa zur Gründung eigener Sportvereine, die sich oft zu angesehenen, offenen Orts- und Stadtteilvereinen entwickelten.

Ob und wie stark die Neuankömmlinge an alten Gepflogenheiten festhielten, war von vielen Faktoren abhängig. Wo eigene Kirchengemeinden und Siedlungen gegründet wurden, entstand meist ein traditionsbewusstes Gemeinschaftsleben. Die Mehrzahl der Vertriebenen musste sich jedoch ohne diesen Rückhalt behaupten. Manche Familie bewahrt noch heute Trachten und Bräuche der alten Heimat. Gerichte und Rezepte, die mit den Eltern und Großeltern in den Westen gelangten, erfahren eine Renaissance. Dinge, die durch Flucht und Vertreibung gerettet wurden, werden von Generation zu Generation weitervererbt.

Fußballspiel in Waldkraiburg, um 1953. Die Gründung von Sport- oder Musikvereinen trug zu einer Normalisierung des Alltagslebens bei. Das Spiel in Waldkraiburg fand auf dem alten Sportplatz am Bunsenweg statt. Im Hintergrund zu sehen ist ein halb zerstörter Bunker. Er diente als erstes Sportheim des 1948 gegründeten "Vereins für Leibesübungen". Das Dach wurde als Besuchertribüne genutzt.

© Stadtarchiv Waldkraiburg

Hochzeit einer Flüchtlingsfamilie in der Neubausiedlung von St. Stephan im südhessischen Griesheim, um 1950. Eheschließung und Familiengründung waren wichtige Schritte auf dem Weg zu einem neuen Heimatgefühl. Die St. Stephans-Siedlung in Griesheim bei Darmstadt wurde von Ungarndeutschen aus der Batschka und Baranya errichtet. Hier konnten sich Sitten und Bräuche der alten Heimat noch lange Zeit erhalten. Verheiratete Frauen bedeckten ihr Haar mit einem Kopftuch, damit die bösen Hausgeister nicht in ihren Haaren nisten konnten. Die Kleider der Frauen, stets aus schön gewebten Stoffen, wurden mit zunehmendem Alter farblich schlichter, bis sie schließlich komplett schwarz waren.

© Süddeutsche Zeitung Photo / Foto: Juliette Lasserre

Schichtende im Volkswagenwerk in Wolfsburg, 1960. Die VW-Werker sind nach dem Ende ihrer Schicht auf dem Weg zum Werksparkplatz.

© Stadtarchiv Wolfsburg / Foto: Willi Luther

Titelseite "Der Flüchtlingsberater. Mitteilungsblatt für das Flüchtlingswesen", Heft 12, Dezember 1949. Mit Broschüren und Zeitschriften informierten die Ministerien und Ämter die Flüchtlinge und Vertriebenen über Hilfen und Möglichkeiten, den Alltag zu meistern.

© Kreisarchiv Schleswig-Flensburg

"Der Flüchtlingsberater", erschienen zwischen 1948 und 1956, wurde vom SPD-Landtagsabgeordneten Walter Damm, Minister für Umsiedlung und Aufbau, später Sozialminister in Schleswig-Holstein, herausgegeben.

© Kreisarchiv Schleswig-Flensburg

Kinder in Rederstall bei Dithmarschen spielen "Russen überfallen Flüchtlinge", Mitte der 1950er Jahre. Die Verarbeitung der Erlebnisse von Flucht und Vertreibung fand Eingang in die Erlebniswelt der Kinder.

© Dithmarscher Landesmuseum / Foto: Edda Lechner

"Umsiedler" in der DDR

 Vor einer Scheune tanzen "Umsiedler" bei der Bodenverteilungsfeier auf Gut Frauenmark bei Parchim, 1945. © Deutsches Historisches Museum, Berlin / Foto: Gerhard Gronefeld

Vor einer Scheune tanzen "Umsiedler" bei der Bodenverteilungsfeier auf Gut Frauenmark bei Parchim, 1945.

© Deutsches Historisches Museum, Berlin / Foto: Gerhard Gronefeld

Aufgrund der Umverteilung von Grund und Boden im Zuge der Bodenreform hatten Vertriebene in der DDR wirtschaftlich scheinbar bessere Startbedingungen als im Westen Deutschlands. Sie wurden jedoch nicht als Vertriebene anerkannt und durften sich gesellschaftlich nicht organisieren. Die DDR-Propaganda feierte die Sowjetunion als "Befreier" und die östlichen Nachbarn als "Bruderländer". "Umsiedler" konnten sich daher nicht als durch die Rote Armee, durch Polen oder Tschechen "vertrieben" bezeichnen. Die Vertreibung wurde vielmehr im Kontext "antifaschistischer" Vergangenheitspolitik als gerechtfertigt betrachtet.

In der frühen DDR wurden vor allem in den ländlichen Gebieten Hilfs- und Kreditprogramme bereitgestellt. Mecklenburg-Vorpommern bildete einen Ansiedlungsschwerpunkt von Vertriebenen. Die sozialistische Umsiedlerpolitik fand im Gesetz von 1950, das bis 1953 galt, ihren Höhe- und Schlusspunkt. Danach lautete der offizielle Sprachgebrauch "ehemalige Umsiedler". Die Zwangskollektivierungen und die Bildung von landwirtschaftlichen Genossenschaften um 1960 wurden von vielen "Neusiedlern" als "zweite Vertreibung" empfunden. Ihr Anteil unter jenen, die vor dem Mauerbau nach Westdeutschland oder West-Berlin flüchteten, war daher überdurchschnittlich hoch.

Integration und sozialer Aufstieg waren in der DDR möglich, sofern man sich politisch anpasste. Nach der raschen Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze durch die DDR im Görlitzer Abkommen von 1950 waren Erinnerungen an die alte Heimat von offizieller Seite unerwünscht und auch für die restliche Gesellschaft mit dem Verdacht des Revanchismus belegt. Nach der Wiedervereinigung erhielten die Vertriebenen aus der früheren DDR ab 1995 eine Zuwendung in Höhe von 4.000 DM.

Eine "Umsiedlerfamilie" vor ihrem neuen Haus, 1. Juli 1950. Mit Hilfe der Dorfgemeinschaft und einem zinslosen Darlehen sollte das Haus wieder in Stand gesetzt werden.

© ullstein bild

Abgeteilter Wohnraum für "Umsiedler", 1947. Oftmals wurden "Umsiedler" in enteignete Häuser eingewiesen, wie beispielsweise in dieses Herrenhaus im Kreis Osterburg/Altmark. Bettlaken und Tücher dienten als Raumteiler.

© bpk - Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte / Foto: Liselotte Orgel-Purper (Orgel-Köhne)

Theaterplakat "Die Umsiedlerin" (Staatsschauspiel Dresden), 1984. Die Komödie von Heiner Müller "Die Umsiedlerin oder Das Leben auf dem Lande", die auf Motiven einer Novelle von Anna Seghers basiert, wurde 1961 in Berlin uraufgeführt und noch in derselben Nacht als "konterrevolutionäres Machwerk" verboten. Die Handlung spielt in einem mecklenburgischen Dorf zwischen Bodenreform und Zwangskollektivierung. Müller versuchte, das Geflecht von Widersprüchen, das das Leben auf dem Lande damals bestimmte, zu verarbeiten. Erst 1975 konnte der Text publiziert und im Mai 1976 - nun unter dem Titel "Die Bauern" - an der Berliner Volksbühne wieder aufgeführt werden.

© Deutsches Historisches Museum, Berlin

Abtragung des Gutshauses in Markendorf, Frankfurt/Oder, 17. Juli 1950. Männer und Frauen tragen das frühere Gutshaus ab, um mit den wiederverwendbaren Materialien neue Häuser aufzubauen. Im Frühjahr 1945 wurde der Ort durch die Kampfhandlungen des Zweiten Weltkrieges schwer zerstört. Mit der Bodenreform 1946 wurde die Familie von Burgsdorff enteignet, das Land an Neubauern verteilt. In den ersten Nachkriegsjahren entstanden Siedlungshäuser aus dem Ruinenmaterial des Ortes.

© Süddeutsche Zeitung Photo / Foto: Illus