Deutschland nach dem Krieg

Am Ende des Zweiten Weltkrieges lag Deutschland physisch und moralisch in Trümmern. Auf der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 bekannten sich die Siegermächte USA, Sowjetunion und Großbritannien zur gemeinsamen Verantwortung für Deutschland. Sie verständigten sich über politische Ziele wie Entmilitarisierung und Demokratisierung. Die Konferenz traf auch territoriale Absprachen, die deutschen Gebiete östlich von Oder und Neiße unter polnische bzw. sowjetische Verwaltung zu stellen. Abschnitt XIII des Abschlussprotokolls betraf die "ordnungsgemäße Überführung deutscher Bevölkerungsteile" aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn. Diese sollte in "ordnungsgemäßer und humaner" Weise erfolgen. Der Text spiegelte die seit etwa 1941 sowohl von den Alliierten geplanten als auch seitens der tschechoslowakischen und polnischen Exilregierungen geforderten Vertreibungen der Deutschen wider. Von "humaner" Form war am Ende keine Rede mehr. Die im Zuge des Kalten Krieges einsetzende rapide Verschlechterung der Beziehungen zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion führte zum Auseinanderdriften der Westzonen und der Sowjetischen Besatzungszone und schließlich zur staatlichen Teilung in die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik. Daran gekoppelt war der unterschiedliche Umgang mit Flüchtlingen und Vertriebenen.

02-01.jpg

Zerstörtes Dortmund (ohne Datum). Von der Stadt Dortmund wurden ungefähr drei Viertel zerstört. In Westfalen (Erzbistum Paderborn) waren vor dem Krieg 1.518.000 Wohnungen vorhanden. Nach dem Krieg waren es nur noch 853.000. Fast die Hälfte der Wohnungen in Westdeutschland war zerstört.

© Archiv des Deutschen Caritasverbandes

Die Herkunft der Vertriebenen

© Grafik: Stefan Walter, 2011
© Grafik: Stefan Walter, 2011

Die Flüchtlinge und Vertriebenen, die ab 1945 in die vier Besatzungszonen gelangten (das Gebiet entspricht den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland ab 1990), hatten ihre Heimat in weiten Teilen Mittel-, Ost- und Südosteuropas. Viele waren bereits 1939/40 infolge des Hitler-Stalin-Paktes zwangsumgesiedelt worden. Dazu zählten die Deutschen aus den Baltischen Staaten, Teilen der Sowjetunion oder Gebieten Südosteuropas wie Bessarabien. Die Meisten waren in den deutsch besetzten Gebieten Polens angesiedelt worden. Die größten Gruppen von Vertriebenen stammten aus den ehemaligen deutschen Provinzen Ostpreußen, (Hinter-)Pommern und Schlesien, aus dem östlichen Brandenburg, der Stadt Danzig, dem ehemaligen Westpreußen und aus der Tschechoslowakei. Weitere Flüchtlinge kamen aus Ungarn, Jugoslawien und Polen. Was ihre Herkunftsgebiete angeht, so waren die Vertriebenen nicht gleichmäßig über Deutschland verteilt. Dies hatte vor allem geographische Gründe: Die Vertriebenen aus Südosteuropa kamen meist in Süddeutschland an, die Sudetendeutschen in Bayern, Hessen und Sachsen, die Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostprovinzen in der Sowjetischen oder der Britischen Besatzungszone, die über die Ostsee aus Ostpreußen, Danzig oder Pommern Geflüchteten oft in Schleswig-Holstein.

Strategien der Alliierten

Nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands verfügten die vier Siegermächte in ihren Besatzungszonen über eine umfassende Befehlsgewalt. Der Alliierte Kontrollrat legte am 20. November 1945 fest, wie viele Flüchtlinge jede Zone aufnehmen sollte.

Die Maßnahmen der Westalliierten und der Sowjetunion waren darauf ausgerichtet, die Vertreibung irreversibel zu machen. Eine Separierung und Ghettoisierung der Vertriebenen sollte unbedingt vermieden werden. Die Westalliierten verhängten zunächst ein Koalitionsverbot für die Vertriebenenorganisationen, die Sowjets verboten sie.

Unter dem Vorwand, an der Potsdamer Konferenz nicht teilgenommen zu haben, weigerte sich Frankreich lange, Flüchtlinge in seiner Zone aufzunehmen. Da es die demografische Stärke Deutschlands fürchtete, empfahl es den Vertriebenen die Auswanderung nach Übersee.

Die USA setzten in ihrer Politik der Reeducation früh auf demokratisch-rechtsstaatliche Selbständigkeit. Offiziell hielt sich die amerikanische Militäradministration aus der Flüchtlingsgesetzgebung und -betreuung heraus. Dennoch wiesen gezielte Interventionen den deutschen Behörden den Weg.

Typisch für die Briten war die Indirect Rule, eine im Empire bewährte Herrschaftsform, die auf lokale Verwaltungsstrukturen zurückgriff. Im besetzten Deutschland behielt man sich die Zuständigkeit für Flüchtlingsangelegenheiten jedoch lange Zeit vor.

Potsdamer Konferenz, 2. August 1945

Potsdamer Konferenz, 2. August 1945. Die Vertreter der Siegermächte mit ihren Mitarbeitern im Garten von Schloss Cecilienhof nach Abschluss der Konferenz, die am 17. Juli 1945 begonnen hatte. Im Vordergrund sitzen (von links) der britische Premierminister Clement Attlee, der US-Präsident Harry S. Truman und der sowjetische "Generalissimus" Josef Stalin. Dahinter stehen der US-Admiral William Daniel Leahy, der britische Außenminister Ernest Bevin, der US-Außenminister James F. Byrnes und der sowjetische Außenminister Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow.
© bpk - Bildagentur für Kunst, Kultur und Geschichte

Abteilung der englischen Militärpolizei in Lübeck, Mai 1945. Lübeck wurde am 2. Mai 1945 von britischen Truppen besetzt. Seit Kriegsende nahm Lübecks Einwohnerzahl durch den Zuzug von Flüchtlingen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten erheblich zu.

© St. Annen-Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck - Bildarchiv

Die vier Nationalflaggen der Besatzungsmächte Deutschlands hängen über einem Trümmerhaufen in Berlin, 1945.

© Süddeutsche Zeitung Photo / Foto: SZ Photo

Flüchtlingsunterkünfte auf dem Stresemannplatz in Kiel, zwischen 1949 und 1950. Wegen seiner großen militärischen Bedeutung durch den Kriegshafen und die Werften hatte Kiel im Zweiten Weltkrieg zahlreiche Luftangriffe erlebt. Jeder freie Quadratmeter in der zu über achtzig Prozent zerstörten Stadt wurde nun für den Bau von Unterkünften für die große Anzahl von Flüchtlingen gebraucht.

© Stadtarchiv Kiel, 2.3 Magnussen, Sig.19990

Amerikanische Soldaten in Bensheim, 1945. Amerikanische Infanteristen gehen durch die Bergstraße in der hessischen Stadt Bensheim. Während einige Häuser in Trümmern liegen, hängen von anderen weiße Tücher als Zeichen der Kapitulation. Eine Frau steht fassungslos vor der Zerstörung.

© Süddeutsche Zeitung Photo / Foto: Scherl

Frankfurter Konferenz über eine deutsche Westregierung, 1. Juli 1948. Die drei westlichen Militärgouverneure, der britische General Sir Brian Robertson (li.), der französische General Marie-Pierre Koenig (Mitte) und der amerikanische General Lucius D. Clay (re.) legten auf ihrer Konferenz mit den elf Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder am 1. Juli 1948 in Frankfurt am Main ihren Plan für eine westdeutsche Regierung - die Frankfurter Dokumente - vor.

© Süddeutsche Zeitung Photo / Foto: SZ Photo

Besuch im Flüchtlingslager, Juni 1947. Der britische Minister für die besetzten Gebiete in Deutschland, Lord Francis Pakenham (re.) und der britische Gouverneur für Schleswig-Holstein, Luftmarschall Hugh Vivian Champion de Crespigny (Mitte, mit Hut in der Hand) besuchen das Kieler Flüchtlings-lager. Angesichts der Flüchtlingsnot in Schleswig-Holstein appellierte De Crespigny später in London an die Hilfsbereitschaft der Engländer.

© Landesarchiv Schleswig-Holstein / Signatur: Abt. 2003.2 Nr. 1801